Welche Fächer unterrichten Sie?
Ich unterrichte mittlerweile die Fächer Deutsch, Geschichte, Kunst und Darstellendes Spiel.
Warum sind Sie Lehrerin geworden?
Ich bin Lehrerin geworden, weil ich selber eine etwas schwierigere Jugend hatte, aber dafür ganz ganz tolle Lehrkräfte, die mir sehr geholfen haben und mir das Gefühl gegeben haben, dass ich gesehen werde. Sie haben sich um mich gekümmert, als ich in einer schwierigen Phase meines Lebens war. Da habe ich mir selber dann auch gesagt, dass ich unbedingt Lehrerin werden möchte, um vor allem im sozialen Bereich etwas zu bewirken. Klar liebe ich die deutsche Literatur, die historischen Themen und das Theaterspielen mit den Schüler/innen und unterrichte diese Fächer gerne. Aber ich finde, dass Schule nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung ist, sondern auch ein Ort des sozialen Lernens. Da wird insgesamt leider noch zu wenig gemacht. Deshalb setze ich mich hauptsächlich dafür ein.
Was für Erfahrungen haben Sie bereits mit Rassismus erlebt?
Was Rassismus-Erlebnisse betrifft, kann ich nur sagen, dass ich (leider) ein Buch darüber schreiben könnte. Hier „nur“ 3 von verschiedenen Erlebnissen, die mich diesbezüglich am meisten geprägt haben.
Ein Erlebnis war zu Grundschulzeiten, dass ich trotz eines Notendurchschnitts von 2,0 nicht auf das Gymnasium sollte, da meine Eltern ja „türkische Gastarbeiter“ seien und mir eh nichts beibringen könnten. In Bayern ist es auch so, dass man sich an die Empfehlung der Grundschule halten MUSS und als Eltern nicht entscheiden kann, auf welche Schulform das Kind geht. Dementsprechend wurde ich erst einmal an der Realschule angemeldet. (Ich solle lieber auf die Realschule, da sei ich besser aufgehoben.) Dank einer Mutter einer damaligen Klassenfreundin, die mein Zeugnis gesehen hat, da ich nach der Schule bei der damaligen Freundin zum Mittagessen zu Besuch war, kam es am Ende doch dazu, dass ich am Gymnasium angemeldet wurde. Damals habe ich das noch nicht als Rassismus-Erfahrung wahrgenommen, aber im Nachhinein konnte und kann es mir bis heute nicht erklären, wieso die Grundschullehrkraft das so eingeschätzt haben könnte, außer, dass sie von Grund aus davon ausgegangen sein muss, dass ich es als Kind von türkischen Gastarbeitereltern auf jeden Fall nicht schaffe.
Später in der Oberstufe hatte ich einen Geschichtslehrer, zu dem ich hingegangen bin, nachdem ich mir die Bücher von August Winkler (einer der renommiertesten deutschen Historiker) gekauft hatte, um mich im Fach Geschichte zu verbessern. Das hatte ich ihm erzählt und ihn gefragt, was ich noch machen könne, um mich in Geschichte zu verbessern, weil ich das so spannend fand. Das einzige, was er mir sagte, war: „Nichts kannst du tun. Probier’s mal mit der türkischen Geschichte.“ Ich wollte als Facharbeitsthema mich mit dem Kommunismus beschäftigen. Stattdessen sollte ich aber das Thema Eroberung Konstantinopels nehmen, was ich aber abgelehnt habe. Im Endeffekt wurde es dann das Kurden-Türken-Problem in der Türkei – obwohl ich nichts zur türkischen Geschichte nehmen wollte! Unter die Klassenarbeit in Geschichte schrieb er, dass meine Sprache nicht hochschulgerecht sei und ich auf keinen Fall studieren solle. Ab dem 1. Semester an der Uni konnte ich dann deutlich aufatmen, da ich merkte, dass es mit den Klausuren doch ganz gut klappt und ich nicht daran zweifeln sollte, weiter zu studieren. Ich bereue es bis heute nicht, dass ich weiter an mich geglaubt habe und Menschen um mich herum hatte, die an mich geglaubt haben!
Dann gab es eine weitere Situation, die sehr offensichtlich rassistisch war. Von meinem 17. bis 25. Lebensjahr habe ich teilweise aus rebellischen Gründen und teilweise aus religiösen Gründen 8 Jahre ein Kopftuch getragen. In dieser Zeit kamen sehr viele subtile Bemerkungen, Blicke, dumme Fragen und ganz viel Gegenwind. Vor allem, als ich dann als Praktikantin an ein Gymnasium in Stuttgart wollte. Aber zurück zum offensichtlichen rassistischen Angriff… In Nürnberg hat mir einmal jemand (ein unbekannter Mann) auf offener Straße in der Innenstadt in den Bauch geschlagen (da war ich 18) und „Scheiß Moslem!“, hinterhergerufen. Danach hab ich mir erst einmal Pfefferspray zugelegt…
Naja – als ich dann mit meinem Referendariat am Münsinger Gymnasium beginnen wollte, habe ich mir gesagt, dass ich das Kopftuch nun doch leider ablegen sollte – denn in so einer stressigen Phase wie des Referendariats hatte ich keine Lust und auch keine Kraft mehr, mich mit unnötigen Diskussionen zu befassen. Stattdessen wollte ich mich nur auf die Inhalte des Referendariats konzentrieren. Ich weiß auch nicht, ob ich mein Ref. mit Kopftuch bestanden hätte – oder gar an der Schule zugelassen worden wäre. Damals war die Gesetzgebung ja noch so, dass es noch nicht als verfassungswidrig galt, das Kopftuch als Lehrkraft (- als Putzfrau ist das ja selten ein Problem ;)) zu verbieten – was sich bis heute zum Glück und im Sinne der Religionsfreiheit geändert hat. Ob sich etwas an der Praxis geändert hat, ist fraglich. Aber wenigstens steht das Gesetz jetzt etwas mehr hinter Frauen, die sich dafür entscheiden, das Kopftuch zu tragen…
Wie reagieren Sie wenn Menschen in Ihrem Umfeld oder Sie selbst Opfer von Rassismus werden?
Ich reagiere mittlerweile leider mit Ignoranz und möchte fast schon kaum mehr etwas mit dem Thema Rassismus zu tun haben. Auch die Zustimmung für dieses Interview hat mich Überwindung gekostet, da ich fast schon die Hoffnung verloren habe, dass sich überhaupt noch etwas in die Richtung ändert. Wir sehen es in unterschiedlichsten Momenten: Stichwort NSU, Hanau, die Flüchtlingsheime, die brennen, Rechtsruck in Europa, Entwicklung der AFD, und und und… Ich versuche einfach meine eigenen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und mich mit den Dingen zu beschäftigen, die mir Spaß machen. Ich glaube auch, dass es effektiver ist, wenn „weiße“ Menschen sich gegen Rassismus einsetzen. Es war ganz lange so und wird auch noch lange so bleiben, dass lieber ÜBER Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen und geschrieben wird, statt mit ihnen. Weshalb soll ich mich dann noch so stark dafür einsetzen?! … Ich weiß, dass das sehr resigniert klingt, aber das ist das Ergebnis von ganz vielen kleinen oder großen Rassismus-Erlebnissen in meinem Leben.
Wie erleben Sie, selber auch bei Schülern, Rassismus im Schulalltag?
Kommt manchmal vor – manchmal gar nicht bewusst. Ich glaube, dass manche Kids es für rebellisch halten, mal ein Hakenkreuz ins Heft zu malen. Am Ort Schule reagiere ich natürlich super schnell und klar! Da ist kein Raum für Ignoranz und Hoffnungslosigkeit. Dennoch versuche ich im Gespräch mit den SuS zu bleiben und die Aktionstage gegen Rassismus z.B. zu nutzen, um zielführende Gedanken auszutauschen. Mir persönlich hilft das aber sehr, dass ich fast das ganze Kollegium hinter mir habe und auch die Schulleitung diesbezüglich eine Nulltoleranz-Schiene fährt. Dafür bin ich auch sehr dankbar!
Was kann man Ihrer Meinung nach gegen Rassismus an Schulen tun?
Ich finde Anti-Rassismusmaßnahmen an Schulen sehr sinnvoll und notwendig, wenn man für ein sicheres Gefühl für alle Schüler/innen sorgen möchte! Man kann Teil von „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ werden und sich als AG gegen Rassismus-Momente einsetzen. Wichtiger ist jedoch die Haltung eines Schulleitungteams und des Lehrer*innen-Kollegiums. Mit ihnen steht und fällt der Umgang mit Rassismus. Je klarer sich diese dagegen positionieren, desto einfacher ist es auch unter SuS sich dafür einzusetzen, wenn man so etwas beobachtet. Es gibt diverse Anti-Rassismus-Workshops, die mit allen Klassen durchgeführt werden sollten. Sozialtrainings, die mindestens in Jahrgang 5 und 6 durchgeführt werden sollten, um spielerisch und mit vielen erlebbaren Übungen immer wieder darüber zu sprechen, welche Menschenrechte wichtig sind, um ein friedliches Miteinander zu ermöglichen. Man könnte an ganz viele Widerstandskämpfer*innen erinnern – einen Aktionstag festlegen, an dem man jedes Jahr einer anderen Person erinnert, wie z.B. Anne Frank, oder Aurelia Wald. Man sollte offen sein für jegliches Gedankengut und nicht immer nur versuchen, die eigene für besser zu halten. Eine Demokratie muss auch die Meinung von Minderheiten oder die Lebweise von Menschen, deren Kulturen hier in Deutschland als „fremd“ gelten, mindestens aushalten können. Schöner wäre es natürlich dem Fremden mit Neugierde zu begegnen statt mit Duldung, Hass oder Ablehnung. Es sollten Räume für einen offenen Dialog geschaffen werden und Inhalte der Friedens- und Demokratie-Erziehung vermittelt werden, damit die Berührungspunkte geringer werden. Meistens hat man nur davor Angst, was man selber nicht kennt.
Deshalb: Geht aufeinander zu und lasst „Fremde“ auch auf euch zugehen. Dann könnte die Welt sicherlich etwas besser werden.
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